12.09.2022
Virtual TechBar – Die Ergänzung für das digitale Service Desk Konzept
IT-Service-Desks nehmen eine zentrale Rolle in Unternehmen aller Größen ein. Sie sorgen dafür, dass die Mitarbeiter:innen sich auf ihre Kernaufgabe fokussieren und bei IT-Problemen arbeitsfähig bleiben bzw. schnellstmöglich wieder ihre Arbeit aufnehmen können. Ein komplementäres Supportmodell zum digitalen Incident-Prozess sind die sogenannten TechBars. Dies sind physische Anlaufstationen für Anwendende im Unternehmen, zu denen Sie persönlich hingehen können. Sie haben damit direkten zwischenmenschlichen Kontakt für die unkomplizierte Unterstützung bei technischen Problemen aller Art.
Das Prinzip TechBar kurz dargestellt
Durch die physische Anwesenheit beider Parteien in der TechBar kann auf geschriebene oder telefonisch und ggf. umständlich formulierte Erklärungsversuche verzichtet und das Problem direkt vor Ort durch den User anschaulich demonstriert werden. Die Behandlung der eingehenden Themen richtet sich nach dem Erscheinen der Anwendenden über „first come, first served“, statt über die Priorität des Themas. Darum können Sie direkt beim Betreten der TechBar auf einen Blick entscheiden, ob Sie die voraussichtliche Wartezeit in Kauf nehmen, zu einem späteren Zeitpunkt wiederkommen, oder doch einen Incident eröffnen. Damit wird deutlich, dass die effektive Bedienung der individuellen Bedürfnisse hier im Gegensatz zum gewöhnlichen Incident- oder Requestprozess ganz klar vor einer effizienten Abwicklung stehen. Für die Anwendenden stellt dies einen weiteren Zugang zu den IT-Kompetenzen dar, der zur Zufriedenheit und Arbeitsfähigkeit beitragen kann. In immer mehr Organisationen wird dieses Angebot erfolgreich zur Verfügung gestellt und durch die Anwendenden gut angenommen.
Doch wie lässt sich dieses Konzept mit Blick auf die kritischen Erfolgsfaktoren und die in vielen Branchen geänderten Arbeitsformen in digitale Arbeitswelten übertragen und lassen sich eine virtuelle und konventionelle TechBar miteinander verknüpfen? Kann die virtuelle TechBar – weiterhin komplementär zur Incident- und Request-Bearbeitung im Service Desk - einen vollständigen Ersatz darstellen? Wie lassen sich die Herausforderungen in der Umsetzung meistern? Hierzu skizzieren wir im Folgenden einige Impulse.
Welche Aspekte beeinflussen die Umsetzung einer virtuellen TechBar?
Wie alle Services und Praktiken, betrachten wir die Umsetzung einer Virtual TechBar anhand von 4 Dimensionen und welchen Einfluss jene darauf haben. Die Abbildung spiegelt exemplarisch einige Kriterien wider:
Konzeptstudie - wie könnte ein Ablauf mit einer virtuellen TechBar praktisch aussehen?
Teile des folgenden Szenarios sind bereits von einigen Organisationen umgesetzt, andere haben tatsächlich noch Konzeptcharakter. Doch nun zum Ablauf: Die virtuelle TechBar wird als ständige Zugangsadresse den Anwendenden zur Verfügung gestellt, die sie über Rechner, Tablet oder Smartphone aufrufen können. Nehmen wir an, der Laptop ist defekt und der Internetzugang funktioniert nicht richtig. Sie wählen sich über Ihr Smartphone in eine Collaborationssession z. B. Jitsi, Teams, Zoom o. ä. ein und landen in einem virtuellen Warteraum. Sie sehen die Anzahl der anderen Nutzer und bekommen eine durchschnittliche Wartezeit angezeigt und warten, bis Sie an der Reihe sind.
Oder Sie wählen einen der verfügbaren Absprungpunkte: Hilfe durch einen ChatBot, Vereinbaren eines Termins für einen Rückruf, Weiterleitung zu FAQ Seiten oder einem Selbsthilfe-Portal, um ein Ticket zu eröffnen. Diese Hilfen könnten bereits vor dem Zugang angeboten werden, um z. B. mit Hilfe des ChatBots vorher Lösungsmöglichkeiten anzubieten und um den Warteraum zu entlasten.
Verbleiben Sie im virtuellen Warteraum, werden Sie vom TechBar Fachpersonal in einen gemeinsamen Raum geholt, um das vorliegende Problem zu bearbeiten. Wenn Sie beide die Kamera einschalten, kann die Hilfe noch persönlicher gestaltet werden. Die Mitarbeitenden können sich nun auf das betroffene Gerät schalten bzw. im geschilderten Fall die Smartphone-Kamera des Users zur Problemlösung am anderen Gerät nutzen. Mit Hilfe von AR-Technologien und Markup-Funktionen, werden für Sie wichtige Elemente hervorgehoben, mit denen Sie die Hände der Mitarbeitenden ersetzen, um das Problem zu lösen. Sie werden durch den Lösungsprozess geführt, und der Prozess wird mit einem User Checkout abgeschlossen. Sollte ein Gerätetausch notwendig sein, wurde ggf. ein Gerätetausch via Versand veranlasst. Das Ticket, welches im Hintergrund geöffnet und bearbeitet wurde, wird nun ebenfalls geschlossen.
Welchen Herausforderungen muss man sich bei der Einführung stellen?
Die virtuelle TechBar ist analog zur konventionellen ohne Zweifel ein vielversprechendes und zukunftsweisendes Konzept, um eine wert- und kundenorientierte Serviceleistung komplementär zum vorhandenen Service Desk anzubieten. Wesentliche Herausforderungen sind der fehlende Präsenz-Kontakt und der fehlende physikalische Zugang zu den zu behandelnden Geräten, welche essentielle Erfolgskriterien der konventionellen TechBar darstellen. Hier können die eingesetzten technischen Möglichkeiten (z. B. Video-Chat, Einsatz von Augmented Reality Technologien) ausgereizt werden. Diese haben gleichzeitig ihre Grenzen in den Fähigkeiten und dem Selbstvertrauen der Anwendenden, mögliche angeleitete Handgriffe umsetzen zu können und zu wollen. Organisatorisch können die Mitarbeitenden aus den Service Desk (SD) Teams kommen oder durch separate Teams gestellt werden. Sie sollten nie in einer Doppelrolle SD und TechBar unterwegs sein, weil dies zu Interessenkonflikten aufgrund unterschiedlicher Zielstellungen führt. Durch geschickte Kombination technischer Möglichkeiten, ggf. die Beauftragung externer, erfahrener Dienstleister und Bildung einer Community mit dem Service Desk, lassen sich für die Kunden- und die Supportorganisation viele Vorteile herausarbeiten. Die Einbindung externer Anbieter sowie die Kohäsion der Incident-, Request- und TechBar-Prozesse, sind nur zwei Komponenten, um hier ein integriertes Zusammenspiel von Mitarbeitenden, Tools und unterschiedlichen Technologien, Prozessen und Partnern erreichen zu können. Dies beinhaltet Fragen wie z. B. die Einhaltung von SLAs oder XLAs, Trigger für lokale Teams per MS Teams oder ServiceNow Task und wie die Erfolgsmessung gestaltet werden soll.
Ist die Virtual TechBar der Service Desk der Zukunft?
Alles in allem lässt sich sagen, dass durch den persönlicheren Kontakt in Virtual TechBars - im Vergleich zum Service Desk - von einer höheren Kundenzufriedenheit und einer höheren Lösungsquote ausgegangen werden kann. Letztere wird zusätzlich durch mehr Lösungszeit und die technische Unterstützung begünstigt. Wie bei einer physischen TechBar stellt aber auch die Virtual TechBar ein komplementäres Angebot zum traditionellen Service Desk dar. Dieser wird weiterhin für die gut lösbaren Tickets und damit den Großteil der Tickets die bessere Alternative sein. Für die Fälle aber, bei denen keine Standardlösung vorhanden ist oder eine intensivere Betreuung gewünscht ist, kann die TechBar als Ergänzung zum Service Desk ihren Mehrwert erzeugen.
Durch die Kombination von Technologie und menschlicher Interaktion bietet die Virtual TechBar somit eine optimale Lösung für die Herausforderungen des digitalen Zeitalters. Dabei steht immer das Ziel im Vordergrund, dem Kunden einen Rundum-Service zu bieten – von der ersten Kontaktaufnahme über die Beratung bis hin zur Lösung des Problems.
Eine Herausforderung bleibt die Beantwortung der Frage zur Wirtschaftlichkeit dieser Lösung bei einer internen IT, die als Cost Center in der Regel auf (Kosten-)Effizienz getrimmt ist. Dass ein solches Service Modell eingeführt und betrieben wird, hängt darum von den Überzeugungen der Entscheider und dem Selbstverständnis der Organisation ab, inwieweit sie dem Prinzip der Wertorientierung folgen und den Wert erkennen können.
Agile & IT Service Management
Im IT Service Management unterstützen wir bei der optimalen Ausrichtung Ihrer Aufbau- und Ablauforganisation und digitalisieren und automatisieren gängige Aufgaben im Service Management – nach klassischen, agilen oder hybriden Methoden.