Die digitalen Technologien verändern nicht nur in großer Entwicklungsgeschwindigkeit das Gesicht von Wirtschaftsunternehmen, sondern sie werden auch zunehmend von den öffentlichen Institutionen als große Chance zur Modernisierung ihrer Verwaltungsorganisation und Bereitstellung neuer Bürgerservices erkannt. So auch bei der Stadt Osnabrück, die nun mit ihrer Agenda 2020 eine mittelfristige IT-Strategie mit ambitionierten Zielen entwickelt hat.
Vorangegangen war jedoch eine mit der ITSM Group als Beratungspartner konzipierte Reorganisation. War die IT ursprünglich relativ zerklüftet in den verschiedenen Fachbereichen der Stadtverwaltung angesiedelt, so ist sie nun zentralisiert. „Rückblickend machte es wenig Sinn, die Standardaufgaben in der Informationstechnik dezentral zu betreiben“, begründet der IT-Leiter Tobias Fänger und meint damit insbesondere den Betrieb der zentralen IT-Anwendungen.
IT will als Enabler für die Fachbereiche fungieren: Deshalb ist inzwischen auch bereits das technische Equipment, das bisher auf 12 Serverräume in der gesamten Verwaltungsorganisation verteilt war, in einem zentralen Rechenzentrum zusammengefasst worden. Lediglich die Applikationsbetreuung für die fachverfahrensspezifischen Aufgaben bleibt noch in den jeweiligen Dienststellen. „Wir müssen die Ressourcen konzentrieren und Kompetenzen zukunftsorientiert einsetzen, außerdem lässt sich eine zentrale und standardisierte IT wirtschaftlicher organisieren“, verweist Fänger auf die Vorteile. Allerdings stehen derzeit noch einige weitere Entwicklungsschritte an, um weitere wichtige Synergieeffekte nutzen zu können, da die Telekommunikation noch nicht in die Zentralisierung einbezogen ist.
Doch die Veränderungen haben nicht nur organisatorischen Charakter, sondern sie beinhalten zudem eine Neupositionierung der IT. Dazu gehört vor allem, dass sie zukünftig allen Dienststellen gegenüber als Enabler fungieren und sie bei den sich verändernden Anforderungen mit innovativen Lösungen unterstützen wird. „Wir werden mit einem ganzheitlichen und stadtweiten IT-Konzept als Innovationsmotor für moderne Verwaltungsprozesse agieren, um ihnen einen spürbaren Mehrwert zu liefern“, legt der IT-Chef die Messlatte hoch. Dabei spielt speziell im Bereich Service Desk auch die interne Kundenorientierung mit einem aktiv gelebten Servicegedanken eine große Rolle. „Notwendig ist eine jederzeit schnelle Reaktion mit transparenter und zeitnaher Kommunikation.“
Ambitionierte IT-Strategie: Grundlage dafür ist die „Agenda 2020“ mit einem umfangreichen Katalog an geplanten Maßnahmen. „Es ist die erste IT-Strategie der Stadt Osnabrück überhaupt“, wie Fänger nicht ohne Stolz anmerkt. Sie ist die Antwort darauf, dass sich die IT in einem ständigen Wandel mit immer kürzeren Innovationszyklen befindet. Technologische Neuerungen ermöglichen stets neue moderne Dienstleistungen, die von den Kunden auch eingefordert werden. Gleichzeitig steigen die Qualitätsansprüche hinsichtlich der Bereitstellung und dem Betrieb dieser Technologien.
Diesen Herausforderungen muss sich eine öffentliche Verwaltung auf den Ebenen der Organisation, Prozesse und in personeller Hinsicht offensiv stellen, was in der Konsequenz aber auch bedeutet, dass es einer mittelfristigen strategischen Roadmap bedarf. „Wir haben gemeinsam einige Jahre weit nach vorne geschaut und uns gefragt, welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen, um eine hohe Zukunftssicherheit in der technischen, prozessualen und organisatorischen Unterstützung der kommunalen Verwaltungsarbeit in Osnabrück zu erlangen“, beschreibt Siegfried Riedel, Geschäftsführer der ITSM Group, die ursprüngliche Zielstellung bei der Erarbeitung der IT-Strategie.
Dazu gehört beispielsweise eine Standardisierung in der Prozessarchitektur mit Automatisierung der Abläufe, weil sie derzeit noch relativ analog geprägt sind. Dies erfolgt aus gutem Grund, schließlich sind digital unterstützte Verwaltungsprozesse effizienter und fehlerfreier, wodurch nennenswerte Effekte zur Kostenoptimierung und Arbeitsentlastung entstehen.
Digitalisierung für eine ressourcenschonende Automatisierung: Überhaupt spielt der Einsatz moderner digitaler Technologien in der „Agenda 2020“ eine zentrale Rolle. Fänger sieht die Digitalisierung als eine der wichtigsten Aufgaben der kommenden Jahre für die Stadtverwaltungen überhaupt, und dies nicht nur, um die personellen Ressourcen zu entlasten. Schließlich müssen in den nächsten 15 Jahren 40 Prozent der Verwaltungsmitarbeiter altersbedingt ersetzt werden. Angesichts des engen Arbeitsmarktes resultieren daraus deutliche Zwänge, die Prozesse durch eine stärkere Automation schlanker und ressourcenschonender zu gestalten. Außerdem sind moderne digitale Technologien am Arbeitsplatz wichtig, um beim Recruiting mit den Jobangeboten von Wirtschaftsunternehmen konkurrieren zu können.
Doch darauf beschränken sich die Herausforderungen bei der Digitalisierung der Fachverfahren nicht. Denn auch wenn es in Osnabrück darum geht, die Bürgerbetreuung digital abzubilden, einfache und innovative Online-Dienstleistungen anzubieten oder das interne mobile Arbeiten über entsprechende Prozesse abzubilden, sind zukünftig mehr denn je die innovativen Kompetenzen der IT gefragt.
Über allem steht zudem die IT-Sicherheit. Angesichts einer wachsenden Digitalisierung erlangt sie auch für Kommunen eine immer größere Bedeutung, weshalb sie in den strategischen Planungen für die nächsten Jahre ebenfalls einen hohen Stellenwert hat. Deshalb ist vorgesehen, mittels bewährter Verfahrensweisen ein Informationssicherheits-Managementsystem (ISMS) aufzubauen und zu betreiben, das in einem umfassenden Ansatz alle Sicherheitsaspekte der kommunalen Informationstechnik und Vernetzung berücksichtigt.
Enge Einbindung von Servicepartnern notwendig: Aber auch dem Sourcing widmet sich die „Agenda 2020“ auf akzentuierte Weise. Denn die Vielfalt sowie der steigende Umfang der Aufgaben macht es notwendig, geeignete Partner einzubeziehen, die in den Teilbereichen Weiterentwicklung, Betrieb und Support Funktionen in der Leistungserbringung als Service übernehmen. „Eine hohe Performance ist auf Dauer ohne Dienstleistungspartner nicht möglich“, betont Fänger und nennt als Beispiel das gerade eingeführte elektronische Dokumentenmanagement. Allein die langen Prozessketten und der hohe Schulungsaufwand hätten es unmöglich gemacht, das Projekt mit eigenen Ressourcen zu realisieren, begründet er die Auslagerung von Teilfunktionen an einen spezialisierten DMS-Partner.
Aus dem Outsourcing leitet sich mit der Steuerung der externen Dienstleister allerdings eine weitere und zudem sehr anspruchsvolle Aufgabenstellung für die IT ab. Dies umso mehr, weil nach Ansicht von Fänger zukünftig IT-Leistungen immer mehr „aus der Steckdose“ kommen werden. Die IT-Organisation der Stadt Osnabrück muss sich demnach der Herausforderung stellen, die externen Partner in die internen Prozesse einzubinden und deren Qualität in der Serviceerbringung sicherzustellen.
Blaupause für andere Fachbereiche: Hinter der „Agenda 2020“ verbergen sich jedoch keine lediglich allgemein formulierten strategischen Ziele, sondern im Gegenteil ein umfassend entwickelter Maßnahmenkatalog. Dieser ist versehen mit konkreten Meilensteinen und einem klaren Controlling-Verfahren, so dass der Fortschritt bei den einzelnen Vorhaben jederzeit transparent darstellbar und nachvollziehbar ist. Erste Projekte sind auch bereits in der Konkretisierung, dazu zählen etwa die Digitalisierung der Dienstreisebearbeitung und der Aufbau eines Selfservice-Portals für Störungsfälle und ein Servicekatalog mit Genehmigungsprozess. Außerdem ist ein Bürgerportal in der Vorbereitung.
Doch nicht allein die Erfahrungen mit der zügigen Umsetzung der ersten Vorhaben macht Fänger optimistisch, dass die IT der Stadt Osnabrück mit dem Strategieplan den richtigen Weg eingeschlagen hat. Sondern es sind auch völlig unerwartete Effekte entstanden. Denn die „Agenda 2020“ hat auch andere Organisationsbereiche neugierig gemacht und dazu geführt, dass sie sich inzwischen ebenfalls mit einer ähnlichen strategischen Ausrichtung beschäftigen.
Für den IT-Consultant Riedel sind solche über den Ursprungsbereich hinausgehenden Wirkungen häufig zu beobachten. „Plötzlich wird auf breiter Front ganz neu gedacht“, kennt er diese fruchtbaren Impulse aus seiner Beratungspraxis. Für die IT sieht er unabhängig davon allerdings noch weitere strategische Entwicklungspotentiale. Da sie auch in der kommunalen Verwaltung inzwischen eine äußerst relevante Querschnittsfunktion inne habe, sei es hilfreich, sie frühzeitig in allen IT-relevanten Gesprächen und Planungen einzubinden. Dadurch könnte die IT zum Nutzen der gesamten Verwaltung übergreifend agieren, erläutert er die Vorteile.